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Herr Oberbürgermeister, sind Sie eigentlich schon geboostert?
Ja, selbstverständlich. Der Impfschutz in Zeiten der Pandemie ist für mich nicht nur eine persönliche Vorsorge, sondern ein Akt der gesellschaftlichen Solidarität. Ich bin fest davon überzeugt, dass wir ohne diesen Impfschutz, der für den weitaus größten Teil unserer Gesellschaft vorgeschrieben sein sollte, keinen Ausweg aus der Krise finden.

Sie haben sich neulich in einer Video-Botschaft in sehr klaren Worten an die Bevölkerung gewandt und sich später in einem Radio-Interview ziemlich klar für eine allgemeine Impfpflicht ausgesprochen – und dafür auch Kritik in den Soziale Netzwerken bekommen. Haben Sie damit gerechnet?
Ja klar, wer die kontroversen Diskussionen in den letzten Wochen und Monaten verfolgt hat, musste damit rechnen. Aber das ist, wie ich finde, gerade für Entscheidungsträger keine Ausrede, um nicht klar seine Meinung zu sagen. Das wird auch immer wichtiger angesichts wieder wachsender Gewalt in Kreisen der Impfgegner und Querdenker. Wir müssen jetzt erst recht zu dieser klaren Botschaft stehen.

Sind Sie enttäuscht darüber, wie langsam und unzureichend die Impfangebote die Nachfrage in den vergangenen Wochen angesichts der vierten Welle befriedigen konnten?
In jedem Fall. Da sind Fehler passiert, die uns in der Bewältigung der Pandemie weit zurückgeworfen haben. Es ist nach den langen Wochen und Monaten Vorlauf völlig unverständlich, dass der Impfstoff knapp wurde und die Infrastruktur fehlte, als sich viele Menschen – endlich – impfen lassen wollten.

Wie stark war das Jahr 2021, das Jahr zwei der Corona-Pandemie, für die Weinheimer Verwaltung und die Politik durch dieses Thema geprägt?
Sehr stark. Wer sich unseren Jahresrückblick anschaut, spürt, wie viele Bereiche ganz unmittelbar und eigentlich permanent betroffen waren und auch noch sind. Ganz besonders unser Ordnungsamt, aber natürlich auch das Amt für Bildung und Sport, denn Schulen und KiTas waren ja ständig betroffen. Der Gemeinderat hat von uns in diesen jetzt fast zwei Jahren an die 120 Newsletter bekommen, wie die Krise auch das Verwaltungshandeln bestimmt.

Ist die Corona-Krise nicht zu groß für eine Kommune? Was konnten, was können Sie tun?
Wir können helfen und wir können kommunizieren.  Und wir können ermöglichen, was den Menschen in der Krise hilft. Das sind manchmal kleine und unbürokratische Lösungen wie ein Testzelt am Marktplatz, das große Imagemagazin für Einzelhandel und Gastronomie, coronagerechte Auftritte von Künstlern in der Fußgängerzone und so weiter. Unser kommunales Kulturangebot in diesem Jahr war sehr beachtlich, übrigens noch bis kurz vor Weihnachten, als die meisten anderen schon alles abgesagt hatten. Also wir konnten und können vor Ort doch einiges dazu beitragen, dass Menschen besser durch die Krise kommen. So verstehen wir auch unseren Auftrag.

Wie viel ist wegen Corona liegen geblieben?
Tatsächlich erstaunlicherweise eigentlich nichts. Das Pensum unserer Stadtverwaltung war trotz aller Widrigkeiten sehr umfangreich und auch effizient. Es gibt große Maßnahmen wie zum Beispiel die Sanierung der Wohnhäuser an der Mannheimer Straße, die verzögern sich um wenige Wochen, aber das ist schon alles. Ganz überwiegend sind Punktlandungen gelungen. Das Jahr 2021 war für Weinheim trotz allem ein erfolgreiches. Wir haben auf vielen Gebieten gute Fortschritte gemacht.

Was bleibt besonders aus diesem Jahr – außer Corona?
Ich denke, das ist in erster Linie die Zweiburgenschule, die wir im September eingeweiht haben. Das ist eine ganz wunderbare Schule geworden und ein ganz besonderes Aushängeschild für den Bildungsstandort Weinheim. Es ist eine Schule geworden, die dadurch beeindruckt, dass Architektur die Pädagogik unterstützt. Bei der Einweihung war ich sehr begeistert. Es ist außerdem eine Schule, zu der ja auch ein sonderpädagogisches Förderzentrum gehört, die eine klare Botschaft hat. Nämlich dass wir als Gesellschaft eine Verpflichtung haben, einen chancengleichen Zugang zur Bildung zu ermöglichen. Mit dieser Schule kommen wir diesem Auftrag noch ein bisschen besser nach als ohnehin schon.

Das heißt, Corona konnte die Stadt nicht ausbremsen?
Nein, gar nicht. Alle Infrastrukturmaßnahmen – und das waren etliche in diesem Jahr – sind reibungslos weitergegangen. Ich denke da an den Kanalbau in der Müllheimer Talstraße an der AWO, das ist in der Tat ja eine aufwändige Tiefbaumaßnahme, die Kanalsanierung in der Ortsdurchfahrt von Oberflockenbach, die Erneuerung des Ritschweierer Weges. Das Programm ist ambitioniert. Ich denke da aber auch an den weiteren Fortschritt bei der Digitalisierung unserer Schulen, aber auch an das weitere Megathema Klimaschutz, das ja mittlerweile im Grund alle unsere Tätigkeiten auf irgendeine Weise betrifft – und das ist auch gut so. Die Sanierung des Schlosses ist abgeschlossen und schön geworden. Und wir haben wir mit der Sanierung der Wohngebäude in der Mannheimer Straße weiteren sozialen Wohnraum geschaffen.

Was allerdings zumindest abgebremst wurde, das ist Ihr auch ganz persönliches Projekt „Zukunftswerkstatt“, das hatten Sie sich früher und mit mehr Wucht vorgestellt, oder?
Das stimmt. Aber es war richtig, wegen Corona hier zu warten, bis sich wieder 100 Personen und mehr treffen können. Bei allen Online-Tools im Verfahren, es ist wichtig, dass sich Menschen bei dieser Veranstaltung in die Augen sehen, sich zustimmen oder sich widersprechen können. Mir persönlich hat diese Auftaktveranstaltung im Oktober Mut gemacht.

Aber die Resonanz hätte doch besser sein können?
Das stimmt. Es gab auch Defizite in der Öffentlichkeitsarbeit. Das wird besser werden. Das werden wir als Stadt jetzt wieder selbst in die Hand nehmen.  Für einen ersten Input war die Teilnahme jedenfalls ausreichend. Der Prozess geht jetzt mit den Arbeitsgruppen aus Zufallsbürgern und Interessensvertretern jetzt in eine entscheidende Phase. Im Sommer – hoffentlich ganz ohne Corona im Hinterkopf – wird es die nächste öffentliche Veranstaltung geben. Und vorher, dafür werden wir alles tun- muss der Funke überspringen.

Thema Tourismus, da war das Aufs-Eis-Legen des Hotels an der Mannheimer Straße doch ein Rückschlag, oder?
Das stimmt, ja. Aber wir haben auch Signale, dass es sich wirklich nur um einen Aufschub handelt. Der Standort am Bahnhof ist für ein Hotel nach wie vor sehr interessant. Es gibt bei dem Thema Tourismus aber auch sehr erfreuliche Nachrichten: wie den Zuschlag für die Heimattage Baden-Württemberg für 2025, die Ankündigung des Deutschen Jugendherbergswerkes, die Jugendherberge in der Weststadt als Leuchtturmprojekt wieder aufzubauen und nicht zuletzt der Ingrid Noll-Weg, der uns in der ganzen Republik bekannt macht.

Unter welchen Vorzeichen wird wohl das Jahr 2022 in Weinheim stehen?
Ich hoffe und wünsche, nicht mehr unter jenem der Pandemie. Ich denke es wird ein Jahr, das in die Zukunft weist: Mit dem Wiedereinzug der Menschen in die Sozialwohnungen in der Mannheimer Straße, sowie mit ersten Bautätigkeiten in den Gebieten Allmendäcker und Westlich Hauptbahnhof mit einem klaren Schwerpunkt bei neuen sozialen Wohnformen, auch mit einer maßvollen Gewerbeentwicklung in der Hinteren Mult. Weinheim ist auf gutem Wege.

Pressemitteilung der Stadt Weinheim, 29. Dezember 2021