Sie steht schon über zwei Jahre leer und soll abgerissen werden – aber für flüchtende Menschen aus der Ukraine ist dieser Zustand jetzt ein Glücksfall in einer dramatisch schlimmen Zeit: Die Jugendherberge in der Weinheimer Weststadt könnte relativ kurzfristig als Unterkunft für Flüchtlinge ertüchtigt werden. Das ist das Ergebnis einer ersten Besichtigung, an der von Seiten der Stadt Weinheim Integrationsbeauftragte Ulrike Herrmann, Immobilienamtsleiterin Cornelia Lauinger und Michael Seehaus, städtischer Experte für Haustechnik, teilgenommen haben. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Stadt konnten gemeinsam mit Jochen Richt, dem Leiter des Geschäftsbereich Immobilien und Infrastruktur des Deutschen Jugendherbergswerkes, das stillgelegte Gebäude unter die Lupe nehmen. Danach beschäftigte sich der neu eingerichtete „Krisenstab Ukraine“ unter Leitung von Oberbürgermeister Manuel Just mit dem Thema.
Der OB und Erster Bürgermeister Dr. Torsten Fetzner hatten sich schon in der zurückliegenden Woche beim Deutschen Jugendherbergswerk erkundigt, ob die leer stehende Jugendherberge in der Breslauer Straße in der aktuellen Not zur Verfügung steht. Ende vergangener Woche hat das Thema einen neuen Aspekt hinzubekommen: Über den privaten Kontakt einer Weinheimer Bürgerin wurde bekannt, dass ein Waisenhaus in Kiew dringend einen Fluchtort im sicheren Europa für 120 Kinder und ihre Betreuer sucht.
Daraufhin glühten auch die Drähte zwischen Rathaus und dem Heidelberger Landratsamt. Nach ersten Gesprächen wurde vereinbart, dass alle Hebel in Bewegung gesetzt werden, um den Kindern und ihren Betreuern eine Bleibe zu bieten, die sie gemeinsam in der Gruppe bewohnen können. Die Unterbringung in einer großen Erstankunftsstelle sei für die Waisenkinder keine gute Lösung, finden alle Beteiligten – die Jugendherberge biete sich hingegen dafür an. Das Haus bietet Schlafplätze für etwa 130 Personen, auch die Sanitäreinrichtungen sind für große Gruppen geeignet. Der Rhein-Neckar-Kreis hat sich bereit erklärt, die Einrichtung zu betreiben. Das DHJ stellt die Immobile bereit, die Kommune kümmert sich um die baulich-technische Ertüchtigung – eine humanitäre Gemeinschaftsaktion also.
Mittlerweile steht fest: Die Jugendherberge steht zur Verfügung und die dafür erforderlichen Arbeiten scheinen zumindest auf den ersten Blick leistbar zu sein. Die Bauexperten rechnen aber mit einem allerdings möglichst kurzen Vorlauf, bis ausgeschlossen ist, dass technische oder hygienische Sicherheitsmängel bestehen. Das müsste geklärt sein, bis Personen in die Räume einziehen. Es geht dabei zum Beispiel um die Untersuchungen von Versorgungsleitungen und die Beseitigung möglicher Sicherheitsmängel sowie um den Brandschutz. Im Krisenstab war man sich einig, dass die Stadt dabei so schnell, flexibel und unbürokratisch wie möglich vorgeht. Es gehe um jeden Tag.
In der Weinheimer Stadtverwaltung und dem Landratsamt sind die Vorbereitungen angelaufen – bevor eine endgültige Zusage erfolgen kann, müssen noch einige – insbesondere auch rechtliche – Fragen geklärt werden. Hierzu stehen Stadtverwaltung und Landratsamt mit den entsprechenden Behörden im Kontakt. Der Kontakt zu dem Waisenhaus funktioniert; die Kinder warten auf die schnellstmögliche Ausreisemöglichkeit in ein Leben ohne Krieg. Das alles wird vor Ort vorbereitet.
Oberbürgermeister Manuel Just betonte, dass die Aufnahme der Waisenkinder im Moment die erste Option sei. Falls das Heim und seine Unterstützer in Deutschland aber eine andere und vielleicht noch schnellere Lösung finden, soll die Jugendherberge aber trotzdem für eine Aufnahme von Flüchtlingen ertüchtigt und genutzt werden. Dann man müsse davon ausgehen, dass die Kommunen in absehbarer Zeit für Flüchtlinge aus der Ukraine im Rahmen der Anschlussunterbringung Wohnraum zur Verfügung stellen muss.
Pressemitteilung der Stadt Weinheim, 12. März 2022