Seite wählen

„Wer in der Demokratie schläft, der wacht in der Diktatur auf“ zitiert Vincent Schult Johann Wolfgang von Goethe am 24. September mitten in der Fußgängerzone.

Um „wach“ zu bleiben, spazieren Jugendliche durch die Weinheimer Innenstadt. Die Schlange, die sich durch die Fußgängerzone zieht, ist lang und bunt – genau so sollte es sein. Mit dem sogenannten „bunten Spaziergang“ versammeln sich Jugendliche unter dem Motto „Weinheim bleibt bunt“ für ein weltoffenes, tolerantes Weinheim – gegen Rassismus und gegen Rechtspopulismus. Erwachsene und vor allem Schüler/innen jeder Altersklasse aus Weinheim sind vertreten.

Es ist der vierte von Schülern organisierte Spaziergang seit 2015. Der erste bunte Spaziergang wurde von dem neu gegründeten Bündnis „Weinheim bleibt bunt“ initiiert und war als Gegendemonstration zum NPD-Parteitag gedacht. Der jährliche Schülerspaziergang ist inzwischen zur Tradition geworden und wurde dieses Mal auch vom Jugendgemeinderat (JGR) und den Schulen Weinheims organisiert.

Dreimal halten wir an, um überzeugenden Ansprachen von Tom Bürmann (WHG), Vincent Schult (PGW) und Iván Furlan Cano (DBS) zuzuhören. Der Spazierweg führt vom Mahnmal beim Hermannshof durch die Fußgängerzone bis zum Schlosspark, wo gegen eine Spende Cocktails vom Stadtjugendring angeboten werden. Für Stimmung sorgen dort verschiedene Bands und viel buntes Farbpulver. Der Nachmittag dient auch als Gelegenheit, sich mit den Schülern der anderen Schulen auszutauschen.

Der JGR hatte mit etwa 100 Spaziergängern gerechnet, meint Selin Önal (Mitglied des JGR). Der hohe Zulauf hat ihre Erwartungen weit übertroffen. Sie hofft, in den nächsten Jahren wieder auf solch eine beachtliche Schülerbeteiligung zu treffen: „Es ist schön zu sehen, wie viele Jugendliche sich politisch einbringen und ein Zeichen setzen wollen“ – ein Zeichen für Offenheit gegenüber anderen Kulturen. Diese Jugendlichen haben verstanden, was Tom (Mitglied des JGR) in seiner Begrüßungsrede betont: Es kommt auf die einzigartige Persönlichkeit des Menschen an, nicht auf die Religion, die Hautfarbe oder die Herkunft.

Iván (Mitglied des JGR) deutet in seiner Rede darauf hin, dass offensichtlich nicht alle dieser Ansicht sind. Dies zeigen kürzlich geschehene Vorfälle wie in Chemnitz, wo es zu heftigen Ausschreitungen durch Rechtsradikale kam oder in Dortmund, wo bei einem Nazi-Aufmarsch antisemitische und rassistische Parolen skandiert wurden.

Vincent sieht den „Rassismus als eine einfache, aber falsche Antwort auf komplexe Fragen“. Den Menschen, die solche rechten Angriffe verüben, ginge es vor einigen Jahren, als die Flüchtlingsthematik noch nicht die heutigen Ausmaße angenommen hatte, nicht besser. Es sei immer leichter, eigene Probleme auf andere zu schieben und sich an anderen auszulassen.

„Die Demokraten sind zwar in der Überzahl, das nützt aber nichts, solange sie nicht ihre Stimme erheben.“ meint Iván.

Und deswegen sind solche Veranstaltungen wie der bunte Spaziergang richtig und wichtig! Es zeigt, dass die Weinheimer Jugend für eine integrative Willkommenskultur steht. Ivan weist aber auch darauf hin, dass es nicht reiche, nur einmal im Jahr Einsatz für unsere demokratischen Werte zu zeigen. Es reiche nicht, nur einmal nach Vorfällen wie in Chemnitz auf die Straße zu gehen und sich danach wieder zurückzuziehen, bis die nächste Katastrophe passiert. „Unsere Stimme muss laut sein und vor allem allgegenwärtig. Dabei ist jeder von uns gefragt und gefordert!“

(Bericht/Foto: Leonie Swart, Schülerzeitung WHG)